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Stadtentwicklung

München wächst. Die Flächen, auf denen noch dringend benötigte Wohnungen entstehen könnten, sind begrenzt. Mit der wachsenden Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt und dem tendenziell finanzkräftigen, arbeits- und ausbildungsbezogenen Zuzug steigt auch der Verdrängungsdruck auf gering- bis normalverdienende Haushalte in München.

Wachstum ist die urbane Realität, die wir gestalten müssen. Ein Zuzugsstopp ist nicht umsetzbar, eine Verminderung der Attraktivität Münchens ist nicht wünschenswert und löst keine Probleme. Diese Ansätze verkennen die Logiken großräumiger Urbanisierungsprozesse. Vielmehr begreifen wir das Wachstum unserer Stadt als Chance, städtisches Zusammenleben nachhaltig und sozial zu gestalten. Im Verbund mit den Umlandgemeinden und der Region wollen wir Wachstum aktiv steuern und gestalten.

Grundsätze und Leitbilder

Unsere Stadt ist eine Stadt für alle. Wir verstehen Stadt als konkreten Handlungsraum, in dem wir die Grundlagen unseres gemeinsamen Zusammenlebens gestalten. Deshalb ist unser Verständnis von Stadt ein politisches. Für uns ist Stadt nicht bloßer Raum für die Reproduktion der Arbeitskraft oder bebaute Umwelt, sondern eine Qualität an sich. Wir machen die Stadt zum Raum der Hoffnung in einer kapitalistisch geprägten Welt.

Um diese Vision in Realität zu verwandeln, holen wir uns die Stadt zurück. Das Ziel unserer Stadtentwicklungspolitik ist es, Stadtraum für die Allgemeinheit zurückzugewinnen und dem privaten, rein profitorientierten Bodenmarkt zu entziehen. Umverteilung muss räumlich werden. Die Frage ist die dauerhafte Verfügungsgewalt über Grund und Boden. Um die Nutzung von privaten Flächen im Sinne der Allgemeinheit zu gewährleisten, streiten wir für den administrativen Vorrang von Bauleitplanung vor kooperativen Planungsprozessen. Unsere Stadtentwicklungspolitik folgt dabei den folgenden Leitbildern:

sozial & gemischt – Wir wollen eine gemischte Stadt, die geprägt ist durch die Vielfalt und die Verschiedenheit der Menschen, die in ihr wohnen und arbeiten. Die räumliche Gleichzeitigkeit der Realitäten der verschiedenen Einkommensgruppen, von sozialen und kulturellen Hintergründen und die Vielfalt der Lebenssituationen und Lebensentwürfe prägen die Stadt. Wir wollen die gemeinsame Stadt für eine aufgeklärte und vielfältige Stadtgesellschaft. Entmischungstendenzen bis hin zur residentiellen Segregation, der Aufspaltung der Wohnorte nach sozialem Status, bekämpfen wir daher entschieden.

urban & dicht – Die Stadt bildet ein vielfältiges Raum- und Standortgefüge mit unterschiedlichen räumlichen Qualitäten als Wohn- und Arbeitsort, mit bezahlbaren Wohnlagen und Geschäftsflächen für Gewerbe, Handel und Dienstleistungen im unmittelbaren Umfeld. Gemischte Nutzungsstrukturen müssen gefördert und erhalten werden. Dichte ist u. a. eine Bedingung für das Entstehen lebendiger urbaner Strukturen. Wir wollen lebendige Viertel, die Lebensmittelpunkt und lokale Zentren für den Alltag ihrer Bewohner*innen sind. Das Nebeneinander unterschiedlicher räumlicher Funktionen muss bis in den Mikrokosmos von Stadtvierteln gedacht und ermöglicht werden.

Wir schaffen in München im Zuge von Nachverdichtung, der Erschließung neuer städtischer Räume und der Umverteilung und Umwidmung von Boden und Flächen Räume, die der kapitalistischen Verwertungslogik entzogen sind. Der öffentliche Raum wird so gestaltet, dass Freiflächen und Begegnungsräume, die nicht kommerziell geprägt sind, ausgebaut werden, sodass alle sozialen Gruppen am Leben in dieser Stadt teilhaben können. (Öffentlicher Raum, Kultur)

nachhaltig & vernetzt – Wachstum und Nachverdichtung müssen langfristig angelegt und prozesshaft verstanden werden, um nachhaltig für die Stadtgesellschaft zu wirken. Wir setzen auf ein polyzentral angelegtes, qualitatives Wachstum, um Wildwuchs oder seriellen Flächenfraß zu unterbinden und Stadtteile als lebendige Zentren zu stärken. Wir schaffen in Neubau und Bestand gemischte Stadtquartiere mit urbanen Dichten, die effizient und nachhaltig angelegt zu Knotenpunkten in der Stadt der kurzen Wege werden.

Der Begrenztheit kommunaler Handlungsspielräume durch bundes- oder landespolitische Zuständigkeiten und gesetzliche Regelungen begegnen wir, indem wir uns gemeinsam mit anderen Städten politische Veränderungen erkämpfen. Wir verflechten Räume der Hoffnung zu einem dichten Netz – auch Urbanität macht keinen Halt vor nationalen Grenzen. Für uns ist die Funktion von Stadt nie nur lokal begrenzt, sondern steht in Austauschbeziehung mit anderen Städten der Welt, die sich einer kapitalistisch dominierten Logik entziehen und gemeinsam und solidarisch eine progressive Vorstellung von Zukunft verfolgen.

Nachverdichtung

Das noch vorhandene Flächenpotential für die Schaffung dringend benötigten Wohnraums in München ist begrenzt. Ein großer Teil entfällt dabei auf Verdichtung und Qualifizierung bestehender Quartiersstrukturen. Dabei muss das Augenmerk auf der Schaffung bezahlbaren Wohnraums und dem Erhalt sowie der Verbesserung der Lebensqualität im jeweiligen Nachverdichtungsgebiet liegen.

Nachverdichtung durch Aufstockung, Ergänzung von Gebäudestrukturen, Konversion oder Nutzbarmachung leerstehender oder untergenutzter Grundstücke muss durch die Stadt im Sinne der städtebaulichen Ziele realisiert werden. Dafür nutzt die Stadt die bestehenden Möglichkeiten der Bauleitplanung aus und beteiligt auch bei kleinen Verdichtungsgrundstücken die Planungsbegünstigten durch den Erlass von Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen an den Folgekosten und der Errichtung sozialer Infrastruktur. Sie setzt sich beim Bundesgesetzgeber dafür ein, dass durch Ergänzung der Regelungsmöglichkeiten des Bebauungsplans die gebietsweise Festsetzung einer zu erfüllenden Quote an einkommensorientiert gefördertem sowie im weiteren Sinne bezahlbarem Wohnraum möglich wird.

Im Falle der Nachverdichtung von großräumigeren Siedlungsstrukturen wie des Wohnungsbestands der 60er-Jahre nutzt die Stadt die Möglichkeiten des erweiterten Städtebaurechts, um städtebauliche Ziele durchzusetzen und die soziale Mischung zu gewährleisten. Dazu gehört insbesondere die Ausweisung von Sanierungsgebieten auf Basis des städtebaulichen Mangels, der notwendigen Ertüchtigung der Gebäudesubstanz sowie der qualitätsvollen Nachverdichtung.

Gleichzeitig ist ebenfalls dafür Sorge zu tragen, dass die Nachverdichtungsgebiete auch mit steigender Bevölkerungsdichte lebenswert bleiben. Die Nachverdichtung ist entlang bereits vorhandener Infrastruktur zu planen und bestehende Infrastruktur im Hinblick auf die anstehenden Nachverdichtungsmaßnahmen zu ertüchtigen. Zunächst müssen Gebiete in Angriff genommen werden, in denen der ÖPNV noch über ausreichende Kapazitäten verfügt. Außerdem muss auf ausreichende Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen im Umfeld geachtet werden.

Hierbei muss in besonderem Maße auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung geachtet werden. Freiflächen, ausreichende Begrünung und die Erhaltung von Frischluftschneisen sind essentiell [-> Klima, Umwelt und Energie]. Des Weiteren hat die Nachverdichtung qualitativ hochwertig und städtebaulich ausgewogen zu sein. Als erstrebenswertes Maß der Bebauung sehen wir eine Aufstockung auf etwa sieben bis acht Stockwerke abhängig von der Umgebungsbebauung sowie vereinzelte Hochpunkte.

In Gebieten mit hauptsächlich Einfamilienhausbebauung geringer Dichte wird eine langfristige Strategie verfolgt, um den Bestand im Sinne lebendiger Stadtquartiere weiterzuentwickeln. Ziel muss es sein, Schnittpunkte des öffentlichen Lebens zu schaffen, an denen sich lebenswerte Quartiersstrukturen verdichten können. Im Rahmen der Konzepte zur langfristigen Siedlungsentwicklung wird dieser als prozessualer Ansatz verfolgt, der bestehende Strategien ergänzen soll.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen

Große zusammenhängende Areale noch zu erschließenden Baulands finden sich in München nur noch im Münchner Nordosten östlich der S8 und im Münchner Norden. Beide Gebiete sind durch Naturräume, landwirtschaftliche Nutzungen und teilweise gewachsene dörfliche Strukturen geprägt. Diese Qualitäten erkennen wir an. Gleichzeitig fehlen aber Flächen für bezahlbaren Wohnraum und die dazugehörige Infrastruktur. Die angesprochenen Gebiete bieten die letzte verbleibende Möglichkeit großräumige Planungen anzustoßen, diese wollen wir nutzen. Das heißt nicht, dass die Areale komplett bebaut werden, es ist vielmehr die Chance die Gebiete in ihrer Gesamtheit zu entwickeln. Dabei bleiben auch Naturräume und landwirtschaftliche Flächen bestehen.

Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) ist ein Instrument des erweiterten Städtebaurechts (§§ 165 ff. BauGB), welches die zielgerichtete Entwicklung großer Gebiete mit einer großen Zahl von Eigentümer*innen ermöglichen soll. Dabei hat die Stadt die Möglichkeit, benötigte Grundstücke zu erwerben, um eine am Gemeinwohl orientierte großmaßstäbliche Planung voranzutreiben. Grundsätzlich haben auch im Prozess der Ausweisung einer SEM kooperative Lösungen Vorrang. Allerdings kann die Stadt unter bestimmten Bedingungen auch Grundstücke von Eigentümer*innen, die ihre Mitwirkungsbereitschaft verweigern, miteinbeziehen. Nach verpflichtenden vorbereitenden Untersuchungen erwirbt die Stadt theoretisch in der Regel alle Grundstücke. Das erleichtert eine einheitliche und aufeinander abgestimmte Entwicklung. Durch die Planungen steigt der Wert der Grundstücke, dieser Wertzuwachs fließt in die Infrastruktur des Gebietes sowie in die Planungskosten. Überschüsse werden an die ursprünglichen Eigentümer*innen ausgeschüttet. Das Instrument der SEM bietet der Stadt eine bessere Ausgangsposition in der Verhandlung mit den Eigentümer*innen. Daher halten wir im Münchner Nordosten an der SEM fest und halten die Absage der SEM im Münchner Norden zugunsten eines noch näher zu definierenden kooperativen Verfahrens für falsch.

Für die Entwicklung im Münchner Nordosten – und nach Möglichkeit auch für den Münchner Norden – fordern wir, möglichst große Flächen durch die Stadt bzw. ihre Gesellschaften selbst zu entwickeln. Wir wollen dichte, urbane, bezahlbare und lebenswerte Quartiere für mindestens 30.000 Einwohner*innen schaffen. Fortschrittliche Wohnprojekte, eine gute Anbindung im öffentlichen Nahverkehr, Nahversorgung, Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, soziale Infrastruktur sowie Grün- und Naturräume charakterisieren die neuen Stadtviertel. Wir wollen sozialdemokratische Zukunftsquartiere für viele, statt Bestandsschutz für wenige. Enteignungen schließen wir nicht aus.

Wachstum Regional denken

Nicht nur München wächst, sondern die ganze Region erfährt Zuzug. Die Metropolregion München gehört zu einer der am schnellsten wachsenden Regionen europaweit, was ebenfalls zu steigenden Mieten und Bodenpreisen und einer Verknappung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum führt. Es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass den Herausforderungen der räumlichen Entwicklung der Region nur mit einer gemeinsamen Strategie für eine polyzentrale, vernetzte Regionalentwicklung zu begegnen ist. Auch die Umlandgemeinden sind aufgefordert, zu einer planvollen Entwicklung der Region beizutragen und als Trägerinnen der kommunalen Planungshoheit aktiv zu werden, um das Wachstum zu gestalten. Dabei gilt es, bestehende Kerne und lokale Unterzentren zu stärken und auch höhere Dichten zuzulassen statt Flächenfraß und Zersiedelung weiter voranzutreiben. Vorhandenes oder neu ausgewiesenes Bauland muss unter Beachtung ausreichender sozialer Durchmischung besonders für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums genutzt werden.

Dafür fordern wir, die Regionale Wohnungsbaukonferenz zu stärken sowie gemeinsame Wohnungsbauziele und Entwicklungsräume zu definieren. Die bestehende Regionalplanung ist in diesem Sinne zu einer verbindlichen abgestimmten Vereinbarung für die beteiligten Gemeinden weiterzuentwickeln und schrittweise auf den gesamten Verflechtungsraum der Metropolregion auszuweiten.

Lebenswerte Stadtbezirke

Bei der Entwicklung neuer Wohngebiete muss die Stadt München ein besonderes Augenmerk auf die Belebung von öffentlichem Raum und Erdgeschosszonen richten. Wir wollen keine Satellitenviertel, in denen Menschen nur schlafen und die dann tagsüber bzw. abends ausgestorben sind. Wir fordern daher, für neu zu schaffende Wohnquartiere lebendige Erdgeschosszonen mit kleinen Gewerbetreibenden, Gastronomie aber auch konsumfreien öffentlichen Orten und Sozialräumen zu schaffen.

Die zielgerichtete Entwicklung in diesem Sinne soll durch ein zentrales städtisches Erdgeschosszonen- oder Gewerbeflächenmanagement im Quartier sichergestellt werden. Dieses pachtet die Flächen von den Hauseigentümer*innen für eine Startphase und vermietet sie kostengünstig an soziale und kreative Nutzungen. Nach Abschluss der Aktivierungsphase werden die Flächen schrittweise in den privaten Regelbetrieb überführt oder auch dauerhaft durch die Stadt gesichert. Eine solche Durchmischung von Wohnquartieren mit Kleingewerben imitiert gewachsene Viertelstrukturen in Zentrumslagen und sorgt für eine Belebung der Viertel. So wird städtischer Alltag dezentral ermöglicht.

Zudem muss die Stadt dafür Sorge tragen, dass soziale Entmischung verhindert wird und bestehenden Entmischungstendenzen entgegengewirkt wird. Bei Projekten zur Nachverdichtung von Stadtbezirken und bei der Neuplanung von Wohnvierteln ist daher insbesondere auf die soziale Durchmischung mittels gebundener Wohnungen zu achten.

Um allen ein lebenswertes Leben in der Stadt zu ermöglichen, müssen auch soziale Infrastruktur, kommunale Daseinsvorsorge und Dienstleistungen mit dem Wachstum der Stadt mithalten. Hierzu bedarf es auch eines aktiven Quartiersmanagements, das zugleich einen Ausgleich zwischen Wohn- und Gewerbeflächennutzung herstellen muss.

Wir fordern

  • Nachverdichtung zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum unter Berücksichtigung der Lebensqualität und des Stadtklimas
  • Ausweisung von Sanierungsgebieten mit Blick auf qualitätsvolle Nachverdichtung
  • Nachverdichtung zunächst dort, wo auf bestehende Infrastruktur (ÖPNV, soziale Einrichtungen etc.) zugegriffen werden kann
  • Gewährleistung der Nachhaltigkeit durch Erhalt und Ausweitung von Freiflächen und Frischluftschneisen
  • Fortführung der SEM im Münchner Nordosten und Wiederaufnahme der SEM im Norden
  • Stärkung der Wohnungsbaukonferenz und Definition von Wohnungsbauzielen und Entwicklungsstandards
  • Weiterentwicklung der Regionalplanung zu einer verbindlichen, abgestimmten Vereinbarung mit den Umlandgemeinden
  • Einführung eines dezentralen Quartiersmanagements zur Schaffung und Erhaltung von sozialer Infrastruktur, kommunaler Daseinsvorsorge und Dienstleistungen